[Fsrmathe-Sonstiges] Vortrag über 8 Monate Eselwandern in Griechenland am 22.05.2017 um 18 Uhr an der EAH Jena

Baghira der Panther Schokokeeks at hotmail.de
Mo Mai 15 12:27:23 CEST 2017


Liebe Freunde, Bekannte, Unbekannte und Interessierte,

wir haben eine lange Reise hinter uns und möchten euch herzlich zu unserem Vortrag darüber einladen!
Er findet statt kommenden Montag, also am 22.05.2017 um 18 Uhr in der EAH (FH) Jena, Carl-Zeiss-Promenade, Haus 5, Hörsaal 4 (Eingang neben der Bushaltestelle).
Gerne könnt ihr auch Freunde, (Un)Bekannte und Interessierte mitbringen. Im Anhang findet ihr den Aushang, den ihr gerne ausdrucken, weiterleiten, aushängen dürft. Auch die Mail darf weitergeleitet werden.

Im Folgenden ein paar Impressionen von der Reise.


Nach 8 1/2 Monaten Eselwandern in der griechischen Natur sind wir nun seit kurz vor Weihnachten 2016 wieder zurück in Deutschland. Wir, das sind David, der im August zurückgekommen ist, Saskia, die im September zurückgekommen ist und Jana Karima. Sie hat mit mir bis November eine Bleibe für unsere beiden Esel Tigris und Elvira gesucht und ist danach mit mir und dem Hund, der uns 2 Monate lang nachgelaufen ist, per Anhalter zurückgefahren.

Weil ich in der ganzen Zeit keine Rundmail geschrieben habe, sind hier nun ein paar meiner Eindrücke von der Reise, die wir versucht haben detailliert zu planen und die wir letztlich ohne irgendeinen Plan angetreten haben.

Auf unserer langen Wanderung haben wir viel erlebt, unter anderem griechische Ostern bei einer sehr lieben Familie, eine griechische Hochzeit, einen Monat in einem orthodoxen Kloster in den Bergen, lustige Begegnungen, unglaubliche GastFREUNDschaft wie in keinem anderen bisher bereisten Land, ein Pferd im Restaurant, einen Fernsehauftritt, verzauberte Momente in den stillen Bergen und paradiesische Schlafplätze unter dem Sternenmeer. Aber auch unschöne Momente waren dabei, von einer Flucht mit den Eseln in der Nacht, einigen schweren Abschieden, der totalen körperlichen Erschöpfung, tiefer Verzweiflung und tagelanger klirrender Kälte bis hin zu Tierquälerei bis zum Tod, ein sich selbst überlassenes Flüchtlingslager mit über 2.000 Menschen, Das Gefühl von Machtlosigkeit, krasser Rassismus gegen Albaner und Sinti und Roma und auch Armut wie in einem  Entwicklungsland. Wir haben einiges gelernt, denn unter anderem haben wir Schafe gemolken und Lämmer gefüttert, bei der Trauben- und Olivenernte und der Wein- und Ölherstellung geholfen, waren bei einer ruhigen und würdevollen Schlachtung dabei, haben gelernt, Knoten zu machen, Routen mit Karte und Kompass zu planen und das Wetter vorauszusehen. Bei alle dem hätten wir sowohl den Eseln als auch der griechischen Kultur und Sprache nicht näher kommen können.

Unsere Reise beginnt am 1. April im Schnee an der Autobahnauffahrt in Leipzig. Jana, Saskia und ich trampen nach Griechenland. Wir wollen an der Mittelmeerküste entlang, um nicht in irgendwelchen Berghöhen im Schnee übernachten zu müssen. Leider schaffen wir es am ersten Tag aber nur bis kurz hinter Regensburg, wo wir uns in der Nähe der Raststätte an unserem Lagerfeuer bei einer Suppe aufwärmen und uns dann in unser kleines Zelt kuscheln. Die Nacht ist wärmer als gedacht. Die zweite Nacht schlafen wir neben einer Ziegenherde im Garten eines Bauernhofs bei Graz (Österreich) und werden dort mit Brot und Milch versorgt. Am dritten Abend haben wir wegen des Moorgebiets bei Zagreb (Kroatien) Schwierigkeiten, einen Schlafplatz zu finden und müssen letztlich im Dunkeln an einem Haus anfragen, ob wir den trockengelegten Vorgarten okkupieren dürfen. Die Familie ist zunächst skeptisch und spricht nur kroatisch. Wir dürfen aber bleiben. Die vierte Nacht verbringen wir bei Dubrovnik (Südspitze Kroatiens) auf einem mit Blumen übersäten Berg neben einer verlassenen Kapelle. Der fünfte Abend wird für mich einer der schrecklichsten Abende, aber gleichzeitig auch ein Abend mit einer der wertvollsten Begegnungen der ganzen Reise. Wir verschätzen uns mit der Zeit und landen in der Dämmerung mitten im Müll vor der Vorstadt von Podgorica (Hauptstadt von Montenegro). Wir fühlen uns unsicher und begegnen gruseligen Menschen. Wir versuchen, den Schutz eines Hauses zu bekommen, doch weil die Familie unsere Geschichte nicht glaubt und Angst hat, schickt sie uns weg. Inzwischen ist es dunkel. Weil auch die nächste Frau uns wegschickt, gehen wir zum nahegelegenen Hotel. Das ist aber geschlossen. Weil nichts anderes übrig bleibt, versuchen wir ohne Zelt im Gebüsch Ruhe zu finden, behalten die Schuhe an und das Pfefferspray bereit. In der Ferne hört man schreckliche Musik und Betrunkene streiten. Meine Zähne klappern vor Kälte und ich mache kein Auge zu. Nach einer Stunde sind wir so durchgefroren, dass wir zur Tankstelle gehen und dort dem jungen Tankwart auf Englisch unsere Situation erklären: „… und jetzt wissen wir nicht, wo wir schlafen können.“ –„Na, in meinem Truck natürlich!“. In unserem Misstrauen halten  wir das für eine Falle. Wir reden eine Weile mit ihm. Weil er aber sympathisch ist und bis morgens dort arbeitet, vertrauen wir ihm und haben den Truck dann wirklich für uns allein. Am 6. Tag kommen wir am frühen Nachmittag in Fier (Albanien) an. Nach der Horrornacht gönnen wir uns einen schönen Nachmittag in der Stadt und eine Übernachtung im Hotel. Am 7. Tag landen wir vor der griechischen Grenze und laufen rüber, einige Kilometer bis zum nächsten Dorf. Dort wollen wir Wasser auffüllen und in der Weite unser Zelt aufschlagen. Wir fragen an einem Haus. Eine Frau bittet uns auf ihre Terrasse und holt ihren Mann. Er spricht englisch. Wir dürfen vor ihrem Haus schlafen, bekommen Kaffe, einen Berg an Essen und haben schöne Gespräche. Dass wir uns in Griechenland ohne irgendeinen Plan und ohne Sprachkenntnisse Esel kaufen und mit denen ein paar Monate lang durch die Pampa laufen wollen, wird belächelt. Am 8. Tag nimmt uns ein Auto bis Athen mit.

In Anbetracht der damaligen Situation mit den sog. „Flüchtlingsströmen“, die angeblich ganz Griechenland überfluten, wollen wir versuchen zu helfen. Wir hatten vor der Reise überlegt, nicht nach Griechenland zu gehen, weil wir sonst vermutlich mit den „Flüchtlingsströmen“ mitlaufen würden, so die Vorstellung. In der Realität existiert dieses Thema für die Menschen auf dem Land nicht. Sie beschäftigt eher die Finanzkrise, die das Land sehr gezeichnet hat. Außer in Athen und Patras sind uns auch keine Geflüchteten begegnet. David kommt am 12. April nachgeflogen und zu viert helfen wir ein bisschen bei der Renovierung eines besetzten Hauses, um es für Geflüchtete bewohnbar zu machen. Außerdem gehen wir auf eine Demonstration vor dem Frauengefängnis, in dem „illegale“ Frauen gefangen sind, falsche Infos über ihre Situation und praktisch keine eigenen Rechte mehr haben. Die meiste Zeit verbringen wir aber in einem riesigen Zeltlager am Hafen von Piraeus, wo ca. 2.000 Geflüchtete abgesetzt und sich selbst überlassen wurden. Es gibt Hilfsorganisationen mit zu vielen Helfern und wenig Struktur, aber sie organisieren Lebensmittel und fünf Duschen für alle. Für uns scheint es am sinnvollsten, mit den Menschen in Kontakt zu treten. David repariert Zelte und zeichnet mit den Kindern, Jana spricht mit verzweifelten Jugendlichen, die ihre Familien in Deutschland oder in anderen Ländern haben, sofern sie noch leben. Die Grenzen sind vor kurzem geschlossen worden und viele verlieren den Mut, wollen lieber zurück in den Krieg als hier noch unzählige Wochen in der prallen Sonne auf heißem Asphalt im Gestank auszuharren. Saskia und ich widmen uns dem Hügel „unnütz gespendeter Dinge“ und bauen daraus ein Volleyballnetz, das schon genutzt wird, bevor es überhaupt fertig ist. Mit Jana male ich mit Kindern in einem Hilfezelt und bekomme Bilder von Bombenanschlägen und Kriegsflugzeugen geschenkt. An einem Tag wird ein Teil des Lagers geräumt, weil die Touristensaison beginnt und das Elend vertuscht werden soll. Viele Menschen werden ohne Ahnung, wohin sie fahren, in andere Lager gebracht. Der Rest muss sich den eh schon überfüllten Platz mit den anderen teilen.

Wir übernachten in der ganzen Zeit in Athen bei verschiedenen Hosts, die wir über die Internetseite couchsurfing.org kennengelernt haben. Einer davon, Lampros, hat einen Bruder, Ilias, in Polythea, einem kleinen Dorf bei Kiparissia auf der Halbinsel Peloponnes, der vielleicht weiß, wo wir Esel herbekommen. Dort fahren wir hin. Ilias spricht fast kein Englisch, dafür aber seine schwangere Verlobte, Koula. Wir schlafen in einem Zimmer im Nachbarhaus, wo auch Ilias Mutter Antonia, Ilias Bruder Babis und die Schwester Panagiota wohnen. Wir werden aufgenommen, als wären wir die lange verschollenen Familienmitglieder. Dort verbringen wir Ostern zusammen mit den anderen Geschwistern Soteria und Giorgos, den wir aus Athen schon kennen. Mit Hilfe des ganzen Dorfes finden wir dort in Polythea auch unseren ersten Esel, Tigris und werden als mittlerweile gute Freunde auf die riesige griechische Hochzeit von Koula und Ilias eingeladen. Dort werden wir im Juni mit vielen liebgewonnenen Menschen aus dem Dorf zwei besondere Tage erleben. Wir lernen in dieser schönen Zeit in Polythea unter anderem Christine und ihre Geschwister Brigitte und Alex kennen, deren Eltern aus Deutschland ausgewandert waren. Die drei sind von unserer Idee begeistert. Durch sie finden wir, nachdem wir viele verwahrloste Esel angeschaut haben, Elvira. Ohne ihre Hilfe hätten wir schon durch die Sprachbarriere große Probleme bei der Eselsuche gehabt. Babis und Ilias zeigen uns die Schnür- und Packtechnik für die Traditionellen Sättel und dann geht es mit 16 Beinen los.

Wir wissen eigentlich auch noch nicht so richtig, wie wir das alles vor haben mit den Eseln und so. Vor der Dämmerung laufen wir so lange, bis wir einen guten Schlafplatz haben. Das ist am Meer nicht einfach, denn ein guter Schlafplatz heißt: ausreichend Gras für die Esel, das nicht zu grün ist, zwei ebenerdige Flächen für die Zelte, einem großen kahlen Platz für Feuer zum Kochen und das alles in der Nähe von Trinkwasser und möglichst im Sichtschutz. Am Anfang ist es vor allem schwierig, Gras für die Esel zu finden, weil viel Gift gespritzt wird. Das erkennt man an dem bestimmten Braunton des Grases und an den Kanistern, die bei gespritzten Flächen in den Bäumen hängen. Wir finden an diesem Abend keinen guten Schlafplatz. Die nächste Stelle mit Gras für die Esel befindet sich einige hundert Meter entfernt und wir wissen nicht, ob das vermeintliche Brachland vielleicht doch jemandem gehört. Um die Esel dort die ganze Nacht anzubinden und dort zu schlafen ist es also zu unsicher. Nach der Ankunft an unserem Schlafplatz ohne Gras satteln wir ab. Damit unsere grauen Freunde ihren Hunger stillen können, wollen wir neben ihnen auf der Grasfläche kochen. Vorher gehen Jana und Saskia mit den Eseln Wasser beschaffen und die Esel tränken. David und ich schlagen die Zelte auf und verpacken die Sättel regen- und sichtgeschützt. Ich bin zu müde, falle noch vor dem Kochen ins Bett und schlafe. Einer muss ja sowieso bei den Zelten bleiben, denn Straße und Menschen sind nicht weit. David geht mit den Kochutensilien zur Wiese, sammelt Holz, bereitet nur mit gesammeltem Harz und Holz ein Feuer vor, schnibbelt das Gemüse und kocht über der vorbereiteten Glut. Nach dem Essen muss alles samt Esel zurück zum Zeltlager gebracht, im Meer gespült und der Ruß von den Töpfen gekratzt werden. Die Wellen haben auf der gesamten Reise schon einige Seifenstücke von uns verschluckt. Die Esel können wegen der gespritzten Grashalme drumherum in der Nacht nur am kurzen Strick zwischen unseren Zelten angebunden werden. Damit wir am nächsten Tag schnell los kommen, bereiten die anderen noch ein Müsli für das Frühstück unterwegs vor. Das alles dauert am Anfang sehr lange. Richtig schlafen können wir zu Beginn der Wanderung alle nicht, weil uns von einigen Griechen so große Angst vor den „bösen Albanern“ und den „langfingrigen Zigeunern“ gemacht wurde. Darum springen wir mehrmals in der Nacht aus den Zelten, weil die Esel in den ersten Nächten ständig rufen. Das alles ist für sie auch ungewohnt und sie kennen sich noch nicht so gut. Morgens stehen wir in der Regel um 5 Uhr auf, denn gegen 11 ist es schon unerträglich heiß. Dann machen wir meist eine lange Mittagspause und essen unser Müsli. Nach einigen Wochen, als wir uns an die Hitze gewöhnt haben, laufen wir auch einfach durch die Mittagshitze, teilweise über Asphalt bei 50°C und bei penetrantem Verwesungsgestank der überfahrenen Tiere. Die meiste Zeit aber wandern wir mit dem Kompass über Trampelpfade der Schäfer, die teilweise nicht in unserer Wanderkarte verzeichnet sind – Die Pfade, nicht die Schäfer. Wir bewegen uns Richtung Berge, weil dort die Hitze viel erträglicher ist als am Meer.

Saskia und David haben das extravagante Kochen über dem Feuer mit minimalistischen Utensilien für sich entdeckt. Dadurch gibt es sehr abwechslungsreiches und immer leckeres Essen. Kräuter müssen wir nie kaufen, denn unterwegs finden wir, aber vor allem David, laufend Thymian, Rosmarin, Oregano, Lorbeerblätter, aber auch unzählige Melonen, Mandeln, Maulbeeren, Apfelsinen, Zitronen, Pampelmusen, wilden Spargel, Süßholz und zur späteren Jahreszeit auch Feigen und Avocados. Gemüse kaufen wir bei den vorbeifahrenden Gemüseautos, die hin und wieder durch die Dörfer ohne Anschluss zur Zivilisation fahren. Menschen, an dessen Häusern wir vorbeilaufen, schenken uns immer wieder Öl, Oliven und Gemüse aus dem eigenen Garten und Feta und Milch von den eigenen Schafen, Eier, selbstgemachtes Brot und Gebäck. Das haben wir meist sogar in so einem Überfluss, dass wir hin und wieder Dinge verschenken müssen, weil unsere Gepäckträger unter der Last sonst streiken würden.

Ich mache hier mal einen Punkt, denn eigentlich wollte ich nur eine kurze Zusammenfassung aufschreiben. Gerade fällt mir auf, dass das nicht möglich ist. Wer aber mehr erfahren möchte, ist herzlich zu unserem Vortrag eingeladen.

Achja, und die Esel befinden sich nun auf einem Eselhof bei Athen bei einem Paar, das sein ganzes Engagement in die Aufklärungsarbeit über artgerechte Eselhaltung steckt. Wer möchte, kann sie dort gerne besuchen :-)


Herzliche Grüße

Hanna Spitz

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